Mythos 7

Zu diesem Mythos zählt auch, dass der Hund sich nicht anlehnen darf. Unter Hunden ist Kontaktsuche ein ganz normales Verhalten. Es gehört zu den sozio-positiven (abstandsverringernden) Verhaltensweisen.

Früher beschrieb man den Charakter eines Hundes unter anderem mit dem Wort „dominant“. Heute weiß man, dass dieses Verhalten immer nur eine situations- und bedarfsabhängige Regelung von momentanen Konflikten bedeutet, es hat nichts mit Aggression zu tun. Die Aussage „Dein Hund ist dominant, du musst ihm mal zeigen, wer der Chef ist“ ist völlig überholt.

Eine Lösung, die auf Gewalt und Isolation aufbaut, ist keine professionelle Lösung. Es unterdrückt die Ursache und löst diese nicht, der Hund weiß durch ein Verbot nur, was er nicht machen soll und hat somit kein alternatives Verhalten gelernt. Hier wird mit Mitteln, die das Vertrauen schädigen, am Symptom „gearbeitet“, die Ursache allerdings bleibt bestehen.

Hierzu ein kleines Beispiel:

Du bist ein Kind und hast fürchterliche Angst vor Spinnen. Jetzt krabbelt eine durch dein Kinderzimmer. Du weißt genau, wenn du zu deinen Eltern gehst, werden sie dich anschreien, eventuell sogar mit Strafen drohen, da es schon spät abends ist und du eigentlich im Bett liegen müsstest. Du gehst also nicht zu deinen Eltern, da du das Vertrauen nicht besitzt, dass sie dir aus der angsterfüllenden und für dich unlösbaren Situation hinaushelfen. Aber wie fühlst du dich dabei?

Auf den Hund übertragen ist augenscheinlich das Problem gelöst. Es geht sogar recht schnell, man muss nicht wochen- oder monatelang trainieren. Aber wie geht es dem Hund damit? Das hat nichts mit einer souveränen und fairen Führung zu tun, die für den Hund wichtig wäre!

Da in dem Mythos auch das „Kopfauflegen“ (Pfoteauflegen) erwähnt ist, möchte ich kurz auf das Imponierverhalten eingehen. Hier eine Beschreibung aus dem Buch „Ausdrucksverhalten beim Hund“ von Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen: „Imponieren umfasst verschiedene Verhaltensweisen, die ungerichtet und hochritualisiert soziale Sicherheit und eine (latent vorhandene) Bereitschaft zur Auseinandersetzung demonstrieren. Imponieren ist ungerichtetes Drohen, stellt eigene soziale Sicherheit und Stärke überdeutlich zur Schau“ (Seite 278).

Imponieren soll beim anderen Geschlecht anziehend wirken, beim gleichen Geschlecht abweisend oder einschüchternd; es kommt darauf an, wer überzeugender und ausdauernder ist. Interessant ist auch, dass eine Begegnung unter den gleichen Hunden jedes Mal anders ausgehen kann.

Zum Imponierverhalten gehören folgende Verhaltensweisen: Die Körperhaltung scheint nach vorne gerichtet, die Gelenke sind durchgedrückt; die Bewegungen wirken steif und langsam; das Nackenfell kann gesträubt sein; die Rute wird unterschiedlich weit angehoben, eventuell schnelles und steifes Wedeln mit kleinen Bewegungen; harnen oder scharren in Imponierhaltung; Tragen eines Gegenstandes in Imponierhaltung; T-Stellung, Hals darbieten/Kopf wegdrehen, aufreiten, Kopf- oder Pfoteauflegen (auf den Rücken des anderen).

Normalerweise weist es keine Angriffsintention auf, es kann aber leicht in Droh- oder Angriffsverhalten übergehen.

Dieser Mythos wurde auch durch bestimmte Fernsehsendungen verstärkt. Ich möchte einfach näher bringen, wie wichtig es ist, den Hund im Ganzen zu sehen. Um unterscheiden zu können, muss immer der Kontext, sowie die gesamte Körpersprache gesehen werden!

Mythos 6

Dieser Mythos ist noch immer ziemlich präsent. Wenn man keine Probleme mit einer statusbedingten Aggression hat, ist auch diese Empfehlung zur Einschränkung völlig unangebracht. Es sollte ein ausgewogenes Verhältnis bestehen.

Ich kann allerdings die Unterbrechung des Spieles bewusst nutzen, um die Frustrationstoleranz zu erhöhen, bzw. zu trainieren. Das ist für den Hund wichtig, da er nur dann Situationen als nicht frustrierend wahrnehmen kann. Trainieren wir dies nicht, werden wir einen Hund haben, der bei der kleinsten Frustration z.B. in die Leine beißt, bellt oder hochspringt.

Im Spiel lernt der Hund Sozialverhalten, das Vertrauen und die Bindung werden aufgebaut. Ich werde interessant für den Hund, was ich wunderbar auch beim Spazierengehen nutzen kann. Bin ich ein langweiliger Begleiter, der dem Hund lediglich den Spaß im Außen nimmt, indem ich ihn immer nur anleine, wenn er zu mir kommt, wird der Hund keinen Grund sehen, warum er sich an mir orientieren sollte.

Außerdem werde ich vermutlich feststellen, dass der Rückruf immer schlechter funktioniert, der Hund eventuell geduckt und langsam auf mich zukommt, wenn er überhaupt kommt.

Mythos 5

Ich hoffe doch sehr, dass dieser Mythos weitestgehend ausgerottet ist. Wir möchten eine gute Bindung zu unserem Hund haben und würden mit solch alten Glaubenssätzen nicht gerade dazu beitragen.

Apropos Bindung, hier eine kleine Exkursion: Die Begriffe „Bindung“ und „Beziehung“ werden gerne verwechselt. Eine Beziehung ist nicht zwingend eine Bindung, eine Bindung ist aber immer eine Beziehung. Bei der Beziehung unterscheiden wir in die Kategorien Dominanz, Führung und Freundschaft. Wir sollten mit unserem Hund eine Führungsbindung anstreben. Der eine Part folgt aus Überzeugung auf Grund der Führungsqualitäten des anderen.

Merkmale einer guten Führung sind u.a. Souveränität, Ruhe und Fairness, was dem Partner Sicherheit vermittelt. Hier ist keine Gewalt nötig, ein respektvoller Umgang ist für beide Seiten von Nutzen. Ein Hund hat kein gesteigertes Interesse an Auseinandersetzungen, denn sie wären in der freien Natur unter Umständen lebensgefährlich.

Womit ich auch gleich beim nächsten Thema bin: In einer frei lebenden Gemeinschaft wird ein Mitglied nur dann von der Gruppe ignoriert, wenn die Ressourcen so knapp sind, dass ein Überleben für alle nicht gesichert ist. Der (meist) junge Rüde wird durch das konstante Ignorieren zum Abwandern gezwungen. Ihr könnt euch nun vorstellen, dass dies nicht häufig vorkommt. Ich hoffe, dass ihr den gut gemeinten Ratschlag, den Hund mehrere Stunden oder gar Tage zu ignorieren, durch diese Information in einem anderen Licht seht.

Durch solch ein Verhalten wird einem Hund die sichere Basis genommen, er hat von uns in seinen Augen nichts mehr zu erwarten. Da unsere Lebensweise ihn dazu zwingt, nicht abwandern zu können, muss er mit uns weiter zurecht kommen. Man sollte sich dann aber nicht wundern, wenn der Hund auf die Idee kommt, sich noch mehr vom Halter zu distanzieren und sich gegebenenfalls „selbst um Probleme kümmert“.

Das klingt jetzt sehr hart, natürlich weiß ein Hund um den Nutzen der Beziehung. Wir fügen der Bindung jedoch eventuell einen großen Schaden zu. Bitte unterscheidet auch, dass man manch unerwünschtes Verhalten durch Ignorieren löschen kann. Hier ignoriere ich aber das Verhalten über einen kurzen Zeitraum und nicht den Hund als Sozialpartner über einen langen Zeitraum.

Ihr seht, wie komplex das Thema ist, und wie wichtig es ist, sich professionelle Hilfe zu holen, wenn ihr mit einem Problem nicht weiterkommt. In diesem Bericht ist alles nur in kurzen Zügen erklärt, auf die Bindung bin ich hier noch nicht eingegangen, ein ausführlicher Bericht würde in dieser Reihe den Rahmen auch sprengen. Vielleicht konnte ich euch ja ein bisschen weiter helfen, schreibt gerne eure Meinung dazu. 🙂

Nächste Woche geht es ums Spielen!

Mythos 4

Leider halten sich derartige Mythen, da manch einer im Fernsehen bei seiner Show solche Dinge hartnäckig verbreitet. Wissen wir doch von uns selbst, dass es uns gut tut, in der Angst einen vertrauten Menschen bei uns zu haben, der uns unterstützt.

Das sollte nicht damit verwechselt werden, den Hund in seiner Angst zu bestätigen. Hierdurch kann die Angst natürlich verstärkt werden, da der Hund jetzt denkt, dass „es wohl wirklich ganz schön gefährlich sein muss“.

Sucht unser Hund bei uns Schutz und Hilfe, sollten wir für ihn da sein. Sind wir das nicht, lernt unser Hund, Konflikte und Probleme alleine lösen zu müssen. Ein häufiges Beispiel hierfür ist eine Leinenaggression auf Grund vieler vorangegangener Hundebegegnungen, welche eher der Besitzer als notwendig erachtete, der Hund diese jedoch nicht wollte. Es ist so unermesslich wichtig, sehen zu können, was unser Hund uns sagen möchte!

Der sichere Rückruf

Wenn man kurz daran denkt, ob der Rückruf funktioniert, kommt erstmal ein „Ja“ dabei heraus. Denkt man dann genauer darüber nach, ist es häufig so, dass man feststellt, der Rückruf klappt nur ohne Ablenkung, in gewohnten und ruhigen Situationen und wenn der Hund nichts Spannenderes findet.

Sinnvoll ist es, zwei verschiedene Signale zu verwenden. Eines für den Fall „Der Hund soll kommen, es eilt aber nicht“ und das andere für die Situation „Jetzt musst du so schnell wie möglich direkt zu mir kommen“. Natürlich kommt es dann noch darauf an, welchen Anspruch wir haben, was uns wichtig ist und wie viel Zeit wir für das Training haben.

Wichtig ist, dass beiden das Training Spaß macht, das ist die halbe Miete!

Die wundervollen Fotos sind von Matthias Schotthöfer

Mythos 2

Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass bei einer verbalen Begrüßung das Cortisol (auch bekannt als Stresshormon) sinkt und bei einer taktilen Begrüßung (anfassen) das Oxytocin (auch bekannt als Bindungshormon oder Kuschelhormon) steigt. Dies bedeutet, ich nehme dem Hund Stress, wenn ich ihn begrüße.